Campus Jazz mit Gianluigi Trovesi, Manfred Schoof, Barre Phillips und Günter Baby Sommer
Von 1973 bis 1983 war die Kleinstadt Peitz einmal im Jahr ein Mekka für den Free-Jazz in der DDR. Hier wurden Workshops abgehalten, Formationen mit Musikern aus Ost und West gebildet. Unvergessen das Bergisch-Brandenburgische Quartett mit Ernst-Ludwig Petrowski, Rüdiger Carl, Hans Reichel und Sven Ake Johanson wie auch das Trio Chicago-Dresden-Wuppertal mit Leo Smith, Günter Baby Sommer und Peter Kowald. Im Gegenzug reisten Musiker aus der DDR nach Wuppertal – zu Konzerten und Workshops. Grenzüberschreitungen im wahrsten
Sinne des Wortes.
Auf dem Peitz-Festival 1981 waren sie eine der Attraktionen: das Baby Sommer Quartett mit Gianluigi Trovesi, Manfred Schoof, Barre Phillips und Günter Baby Sommer. Seit jenem Festival sind fast dreißig Jahre verangen, der Jazz hat sich
entwickelt und verändert, die Musiker haben ihre je eigenen musikalischen Reisen unternommen, deren Routen sich zwar mitunter kreuzten, aber in dieser Besetzung traf man sich seit 1981 niemals wieder.
Jetzt sind sie wieder für einige Tage gemeinsam unterwegs, in der alten Besetzung und doch fernab einer bloßen „Reunion“ – mit neuem musikalischen Material, in dem sich Peitz und die dreißig Jahre Leben danach spiegeln.
Manfred Schoof
Der 1936 in Magdeburg geborene Manfred Schoof studierte bei Bernd Alois Zimmermann in Köln (wo er später selbst Professor wurde) und war seit Mitte der 1960er Jahre mit eigenen Gruppen und als Sideman maßgeblich an der Entwicklung des europäischen Jazz beteiligt. Stationen waren u. a. das Globe Unity Orchestra von Alexander von Schlippenbach, das European Jazz Orchestra, das Manfred Schoof Quintett (mit Jasper van’t Hof u. a.) sowie Old Friends (mit Mangelsdorf, Dauner u. a.).
Er arbeitet als Komponist und Arrangeur für die Rundfunkorchester Deutschlands sowie für das Fernsehen.
Gianluigi Trovesi
Geboren 1944 in der Nähe von Bergamo, steht der Klarinettist, Saxofonist und Komponist Gianluigi Trovesi seit Ende der 1970er Jahre für einen zeitgenössischen europäischen Jazz, der klassische Wurzeln mit Einflüssen aus Folklore und Free Jazz verbindet. Die Zusammenarbeit mit Baby Sommer, Manfred Schoof , Barre Phillips und dem verstorbenen Bassisten Peter Kowald markiert den Beginn seiner internationalen Karriere. Sein – mitunter zum Nonett erweitertes – „Gianluigi Octett“ zählt heute ebenso zu den herausragenden Bands der europäischen Szene wie seine Zusammenarbeit mit dem Akkordeonspieler Gianni Coscia (aus der unter anderem die Musik für den Film „Il Postino“ mit Philippe Noiret entstand).
Barre Phillips
Der Vertreter des Creative Jazz und der neuen Improvisationsmusik wurde 1934 in San Francisco geboren, lebt seit Mitte der 1960er Jahre in Europa und arbeitete hier mit allen führenden Musikern von Joachim Kühn über Gunter Hampel, John Surman, Jeanne Lee bis Ornette Coleman, Barry Guy (London Jazz Composers Orchestra) und
Evan Parker sowie Paul Bley zusammen. Er hat mit „Journal Violone“ die erste Bass-Solo-Platte des Jazz eingespielt, mit „Music from two Basses“ (mit Dave Holland) die erste Bass-Duo-Platte.
Günter Baby Sommer
1943 geboren, gilt Baby Sommer unbezweifelbar als DER Schlagzeuger und Perkussionist des europäischen Jazz und ist nicht zum ersten Mal mit einem Projekt Gast im Mediencampus. Über die Erweiterung seines individualisierten Schlagwerkes und seiner hoch komplexen Spieltechnik hat er die Entwicklung des europäischen Jazz über Jahrzehnte mitbestimmt. Seine internationale Karriere über die engen Grenzen des Ostblocks hinaus (sie trug ihm u. a. den Poll als bester Schlagzeuger ein) begann über die Zusammenarbeit mit Peter Kowald und Wadada Leo Smith, setzte sich über
sein Solo-Spiel (Hörmusiken) und Gruppen wie das Zentralquartett oder Bauer-Phillips Sommer fort, überschritt immer wieder Genre-Grenzen (z. B. in der Zusammenarbeit mit dem Kirchenorganisten Hans-Günther Wauer oder Günter Grass und Rafik Schami).